Tannine haben, so wie die Antikörper in der Tierwelt, die Funktion, Pflanzen vor äußeren Einflüssen zu schützen. Zum Beispiel stößt ihr bitterer und adstringierender Geschmack Tiere ab, die versuchen sich frühzeitig von den Früchten der Pflanzen zu ernähren. Im Falle von Virus-, Bakterien- und Pilzinfektionen verlangsamen sie das Wachstum des Pathogens und begrenzen somit die Oxidation oder Beschädigung des verletzten Gewebes. Um den Schutz vor einer Vielzahl von Mikroorganismen zu gewährleisten, hat die Evolution verschiedene Tanninen hervorgebracht, die sich voneinander in Zusammensetzung und chemischer Struktur unterscheiden. Normalerweise werden Tannine in zwei Kategorien unterteilt:
Diese Fülle an Formen ermöglicht es den Tanninen, sich an verschiedene Proteine zu binden und so ihre antimikrobielle Wirkung gegen Krankheitserreger verschiedener Spezies wirksam auszuüben. Wenn ein Mikroorganismus Pflanzengewebe angreift, können Tannine die Aktivität sowohl der in der Zellmembran vorhandenen Transportproteine, als auch der Enzyme verändern und folglich das Wachstum des Pathogens verlangsamen. Tannine können auch Metalle chelatisieren. Metalle wie Kupfer, Eisen, Aluminium, Zink, Magnesium und Mangan sind wesentliche Co-Faktoren für das normale Funktionieren vieler Enzyme, daher hat ihr Entzug aus dem Stoffwechselsystem des Mikroorganismus negative Auswirkungen auf dessen Wachstum. Darüber hinaus sind einige dieser Metalle wie Kupfer und Eisen an Oxidationsprozessen beteiligt, da sie für die Bildung freier Radikale durch Aktivierung von Sauerstoff verantwortlich sind. Die antioxidative Aktivität der Tannine hängt somit auch von ihrer Chelatbildungskapazität ab.
Der allgemeine Begriff für önologisches Tannin wird verwendet, um Pflanzenextrakte zu bezeichnen, welche einen adstringierenden Geschmack haben und die Fähigkeit Proteine auszufällen. In der Realität beeinflussen, wie wir sehen werden, die Art des Substrats und die Extraktionstechnik die önologische Wirkung der Tannine maßgeblich.Z unächst gibt es eine breite Palette von Produkten. Unter den Gallotanninen werden in der Önologie am häufigsten die aus Gallen extrahierten Tannine verwendet, welche von verschiedenen Arten gesammelt werden, das reicht von der Aleppo-Eiche (Quercus infectoria) bis zur Rhus semialata, aus dem das bekannte chinesische Gallentannin gewonnen wird. Auch die Früchte des Tarastrauches (Caesalpina spinosa) und des Myrobalan (Terminalia chebula) sind eine weitere gute Quelle für Gallotannine, ebenso wie Sumachblätter (Thyphina spp.). Die Ellagtannine stammen hingegen aus Kastanienholz (Castanea sativa) oder Eichenholz (Quercus robur oder Q. petrae). Während kondensierte Tannine aus Traubenkernen, Traubenschalen oder auch der Mimosenrinde gewonnen werden könnten, werden sie aber meistens aus dem Quebracho-Holz (Quebrachia spp.) hergestellt.
Wie in Abbildung 4 ersichtlich ist, ist der Tanninproduktionsprozess verhältnismäßig einfach. Um ein Qualitätsprodukt zu erhalten, müssen jedoch Extraktionsund Trocknungsbedingungen gewählt werden, die keine Veränderung in der ursprünglichen Struktur des Tannins verursachen. Die Wahl des Extraktionsmittels, die Dauer und Temperatur der Extraktions- und Trocknungsphasen, sowie der Schutz vor Sauerstoff sind allesamt Faktoren, welche die Menge an Gesamtpolyphenolen bestimmen, vor allem aber den Anteil des im ursprünglichen Zustand extrahierten Tannins.
Von den önologischen Tanninen sind einige Eigenschaften bekannt, einzelne seit langer Zeit, andere hingegen teilweise in der täglichen Praxis des Kellers zwar erahnt oder festgestellt, aber erst heute, dank der Analysegeräte auf ihre Mechanismen hin untersucht und analysiert. Generell können wir sagen, dass alle Tannine sämtliche Eigenschaften haben, die dieser Verbindungsklasse zugeschrieben werden. In einigen Fällen ist es jedoch möglich, eine bestimmte Spezifität der Wirkung aufgrund der Zusammensetzung und der chemischen Struktur des spezifischen Tannins zu erkennen (Tabelle. 1).
Die Fähigkeit, mit Eiweißen zu reagieren und deren Ausfällung zu verursachen, ist die Eigenschaft der Tannine, die seit langem bekannt ist und wofür sie ursprünglich in der Önologie verwendet wurden. Die für Tannine charakteristische Adstringenz ist ebenfalls mit dieser Eigenschaft verbunden. Die Reaktivität gegenüber Proteinen variiert je nach der Art des Tannins. Proanthocyanidine sind im Durchschnitt wirksamer als Ellagtannine und Gallotannine
bei der Behandlung von Weinen, die überschönt wurden oder reich an endogenen Proteinen sind. Dennoch zeigen auch einige Gallotannine und Ellagtannine eine bedeutende Eiweißfällungsfähigkeit.
Das Vorhandensein der von Botrytis cinerea produzierten Laccase, bewirkt in Mosten aus faulen Trauben eine unkontrollierte Oxidation der extrahierten phenolischen Substanzen, welche sich später im Wein fortsetzt. Die Zugabe von exogenen Tanninen in den Most, insbesondere von hydrolysierbaren Tanninen, kann die Wirkung dieser gefürchteten Oxidase begrenzen. Gallotannine scheinen aufgrund ihrer flachen Struktur und ihrer geringen Größe in der Lage zu sein, den aktiven Teil dieses Enzyms stören. Ellagtannine hingegen können Kupfer chelatisieren, ein unverzichtbarer Co-Faktor für die Aktivität der Laccase.
Antiradikaleffekt
Phenolische Substanzen sind für ihre Fähigkeit bekannt, freie Radikale einzufangen. Diese Eigenschaft ist von großem medizinischen Interesse, da sie lebendes Gewebe vor der zerstörerischen Wirkung der Radikale schützt. Aus diesem Grund werden Tannine bei der Herstellung von AntiagingMedikamenten verwendet und gelten teilweise als Ursache des französischen Paradoxons. Aufgrund des Reichtums an Hydroxylgruppen und der charakteristischen Verbindungen zwischen den Ringen sind Ellagtannine am wirksamsten.
Effekt auf das Redoxpotential
Tannine sind elektroaktive Substanzen. Werden sie in Abwesenheit von Sauerstoff dem Wein zugesetzt, dann verursachen sie eine Änderung des Redoxpotentials, das bei Weißweinen deutlich ist, etwas weniger hingegen im Rotwein, wo die phenolischen Substanzen diesbezüglich eine Pufferwirkung ausüben. Im Allgemeinen können Unterschiede im Verhalten in Abhängigkeit von der Art des Tannins festgestellt werden. Tatsächlich erhöhen die aus getoastetem Holz extrahierten Ellagtannine das Redoxpotential; Gallotannine und Ellagtanninine aus ungetoasteten Holz haben eine minimale Wirkung,
während Proanthocyanidine eine Abnahme des Redoxpotentials verursachen.
Merkaptane sind Schwefelverbindungen, die während der alkoholischen Gärung bei schlecht geklärten oder übermäßig geschwefelten Mosten aus Schwefelwasserstoff entstehen können. Diese Verbindungen sind für Gerüche verantwortlich, die an Kohl oder Zwiebel erinnern und in Mengen oberhalb der Wahrnehmungsschwelle, zu einer Verschlechterung der Weinqualität führen. Tannine und insbesondere Ellagtannine können den Merkaptangehalt eines hydroalkoholischen Mediums verringern. Die Mechanismen, die diesem Phänomen zugrunde liegen, scheinen zweierlei zu sein: einerseits eine direkte Kondensationsreaktion zwischen Tanninen und Merkaptanen; und andererseits eine gekoppelte Oxidation, die zur Bildung von Hydroperoxiden und freier
Radikale führt, die ihrerseits die Merkaptane zerstören können.
Einer der verwendeten Tests zur Identifizierung von önologischem Tannin, erfordert, dass in einer wässrigen Eisensalzlösung das Tannin mit dem Metall in Form eines dunklen Niederschlags reagiert. Tatsächlich verbinden sich Tannine mit Metallen in kationischer Form und bilden Chelate, die teilweise ausfallen. Ellagtannine und Gallotannine haben eine höhere Reaktionsfähigkeit als Proanthocyanidine. Klarerweise bewirkt der Effekt der Chelatbildung eine Abnahme des Kupfer- und Eisengehalts, welche, wenn auch nur minimal, die Empfindlichkeit des Weins gegenüber Oxidationen verringert.
Die bakteriostatische Wirkung der Tannine ist seit langem bekannt. Tatsächlich wird Tannin zu Beginn des Jahrhunderts in der önologischen Literatur als
“Antiseptikum” zur Vorbeugung des “Lindwerdens” (Pediococcus spp.) erwähnt. Die Verwendung wird dringend zur Behandlung von faulen Trauben schlechter Jahrgänge empfohlen, um unerwünschte bakteriologische Fehlentwicklungen zu vermeiden. Einige Laborexperimente zeigen tatsächlich eine Verzögerung bei der Entwicklung von Milchsäurebakterien der Gattung Oenococcus oeni in Weinen mit zugesetzten Tanninen verschiedener Art, insbesondere mit Gallotanninen. Wie bereits oben erwähnt, dürfte die mikrostatische Wirkung mit der Wechselwirkung zwischen Tannin und den in der Zellwand des Mikroorganismus vorhandenen Transportproteinen zusammenhängen.
Tannine gehören zu den Hauptfaktoren der Farbstabilität von Rotwein. Dieser Effekt hängt von ihrer Fähigkeit ab, Sauerstoff zu verbrauchen, um die Oxidation von Anthocyanen zu verhindern. Weiters gibt es die Fähigkeit sich direkt mit der Anthocyanfraktion zu verbinden, um dadurch Pigmente zu erzeugen, die gegenüber der Wirkung von Sauerstoff unempfindlich sind und weiters mit der Bildung stabiler Pigmente. Alle drei Arten von Tannin spielen dabei eine Rolle bei der Farbstabilisierung. Gallotannine wirken hauptsächlich indirekt und schützen Anthocyane vor Oxidation. Ellagtannine begünstigen die Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd und fördern dadurch die Bindungen zwischen kondensierten Tanninen und Anthocyanen über die Acetaldehydbrücke. Die kondensierten Tannine, genauer jene mit zwei Hydroxylgruppen in der -meta-Position des A-Ringes, sind die einzigen, die direkt mit den Anthocyanen unter Bildung stabiler Verbindungen reagieren können.
In hydroalkoholischer Lösung schmecken Tannine bitter und adstringierend. Die Intensität dieses Eindruckes variiert stark in Abhängigkeit vom Ursprung des Tannins und daher von seiner Zusammensetzung. Die Kastanien- und Gallentannine sind bitterer, als die von der Eiche und des Quebracho. Diese Empfindung hängt mit dem Vorhandensein der Digallussäure und glykosidischem Cumarin zusammen, von denen Kastanien- und Gallentannine Konzentrationen oberhalb der Wahrnehmungsschwelle aufweisen. Die Adstringenz ist eine Charakteristik, die mit der Reaktionsfreudigkeit des Tannins mit den Speichelproteinen zusammenhängt. Die Eichentannine haben ein charakteristisches Holzaroma, das besonders zum Vorschein kommt, wenn das Holz von dem das Tannin stammt, getoastet wurde. Die Geschmackswirkung von Tannin hängt von der verwendeten Dosis und der Typologie ab, aber auch stark
von den chemischen, physikalischen und geschmacklichen Eigenschaften des Weines, bei dem sie eingesetzt werden. Aus diesem Grund müssen vor jeder Zugabe von Tannin,Vorproben mit dem zu behandelnden Wein durchgeführt werden.